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Freitragende Treppen aus Waschbeton wurden in den 70er Jahren gerne für Häuser verwendet. Diese wurden seit den 90er Jahren oft gegen Naturstein ausgetauscht. Das ist nicht ohne Risiko für den Steinmetz.

Wie dick müssen Außenstufen sein, wenn sie freitragend sind?
Unsere Standardantwort ist: Bis zum Erdboden. Auch wenn es befremdlich klingt, ist das die einzige mögliche Antwort ohne sich in Schwierigkeiten zu bringen. Jedes Material hat seine Eigenheiten. Genauso wie Naturstein auf Stelzlagern und Fassaden sind diese Bauteile statisch relevant.

Braucht jede Treppe einen statischen Nachweis?
Ja, jede Treppenanlage benötigt einen Standsicherheitsnachweis und unterliegt auch der DIN 18065. Bauliche Anlagen müssen im Ganzen und den einzelnen Teilen standsicher und bei der Treppe dauerhaft belastbar sein.

Wie sieht das bei anderen Materialien aus?
Bewehrte Betonteile und Stahltreppen benötigen die statische Berechnung als Standsicherheitsnachweis ebenfalls.

Warum ist das bei Naturstein so schwierig?
Bei Granit, Basalt, Gabbro wäre es theoretisch möglich, bei anderen Gesteinsarten eher nicht durch die Variabilitat. Bei einer Fassade trägt nicht die Platte, sondern auch die Anker. Bei einer Stufe gibt es eine statische und dynamische Belastung. Da ist nichts mehr mit „einfach“. Anders als bei Stahl und Beton gibt es keine Tabellen und Berechnungsgrundlagen für Naturstein in diesem Fall.

Kann man eine Zulassung bekommen?
Rein theoretisch kann man die Prüfung im Einzelfall bei einem akkreditierten Institut mit einem CE-Zeichen beauftragen. Neben den Kosten von mehreren Tausend Euro und bis zu einem Jahr Dauer wird nach unseren Recherchen der ablehnende Bescheid kommen. Neben einer nachlassenden Tragfähigkeit ist es die Verletzungsgefahr, die bei einem Bruch entsteht.

Was passiert, wenn man trotzdem Naturstein einbaut?
Solange nichts bricht, nichts. Kommt es aber zu einem Unfall, dann steht der Staatsanwalt mit einer Klage nach §319 des StGB vor der Türe. Diese richtet sich nicht gegen die Firma, da Strafanzeigen nur gegen natürliche Personen gestellt werden. Selbst wenn Sie die Firma verkauft haben, ist der verantwortliche Planer haftbar. Das kann bedeuten, dass Ihr Vermögen weg ist.

Strafgesetzbuch (StGB) § 319 Baugefährdung
(1) Wer bei der Planung, Leitung oder Ausführung eines Baues oder des Abbruchs eines Bauwerks gegen die
allgemein anerkannten Regeln der Technik verstößt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen
gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer in Ausübung eines Berufs oder Gewerbes bei der Planung, Leitung oder
Ausführung eines Vorhabens, technische Einrichtungen in ein Bauwerk einzubauen oder eingebaute
Einrichtungen dieser Art zu ändern, gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik verstößt und dadurch
Leib oder Leben eines anderen Menschen gefährdet.
(3) Wer die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(4) Wer in den Fällen der Absätze 1 und 2 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird
mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Warum läßt die Tragfähigkeit nach?
Das kann mehrere Ursachen haben. Durch die dynamischen Lasten kann es zu Ermüdungsbrüchen kommen. Erst entstehen kleinste Risse, die sich später verbinden können. Tausalz kann selbst den besten Granit in die Knie zwingen. Die Salzbrühe läuft die Stufen runter und führt auf der Rückseite zu Kristallisierung. Dabei werden Kristalle rausgesprengt. Uns sind Stufen bekannt, die nach einigen Jahren von den ursprünglichen 8 cm Stärke nur noch 4 cm aufweisen konnten und zwar unsichtbar in der Mitte. Diese Schwächung kann dann zu einem Bruch führen. Materialien mit natürlichen Stichen, wie Multicolor, Shivakasi oder Paradiso vertragen diese Belastungen noch weniger als klassische Granite, die bei normalen Treppen auf Betonsockel keine Rolle spielen.

Welche Rolle spielt das Geländer?
Wird das Geländer seitlich im Stein befestigt, dann ist die Schwächung offensichtlich. Ein Gutachter hat solch eine Innentreppe die durch die Hebelwirkung gebrochen ist, sofort gesperrt und somit das gesamte Bürogebäude räumen lassen. Das war teuer für den Planer und den ausführenden Betrieb. Das Strafverfahren ist noch in der Schwebe. Auch Bohrungen durch den Naturstein zur Geländerbefestigung stellen eine Schwächung dar. Dabei wird meistens auch noch die Temperaturausdehnung vergessen. Feste Verfugungen sind dann ein weiterer Zusatzfaktor zum Bruch. Selbst eine Silikonfuge, auch wenn sie vielleicht richtig ausgeführt wird, ist meistens zu klein um diese Bewegungen aufzufangen, weshalb der BIV in seinem Merkblatt auch fordert:

10.0 Geländerbefestigung
Geländerpfosten sind so zu planen, dass diese seitlich angebracht werden. Ist in Ausnahmefällen die
Befestigung durch den Belag in der Unterkonstruktion erforderlich, so ist dieser aus rostfreien Materialien
zwängungsfrei einzubauen und abzudichten.“

Was sagt der Bundesinnungsverband?
Nachlesbar im BIV Merkblatt 1.06 Aussentreppen:
"Eine konstruktive Absturzsicherung, die bei einem plötzlichen Bruch der Natursteinstufe noch eine
Resttragfähigkeit ermöglicht, muss vorgesehen werden. Dies kann z. B. durch nichtrostende Stahle in
Bohrungen oder in Nuten an den Unterseiten der Stufen gewährleistet werden."

Das ersetzt NICHT den statischen Nachweis !!!

Was ist sonst noch zu beachten?
Aufgrund der Brandschutzanforderungen benötigen baulich notwendige Treppen (Fluchtwege) aus freitragenden Naturwerksteinen zusätzlich eine bauaufsichtliche Zulassung.

Welche Lösungsansätze gibt es?
1) 3+3 cm → keine Zulassung für Außenbereiche
2) Moniereisen einkleben → rostet und ist nicht salzbeständig
3) Edelstahl ankleben kann OK sein, aber der statische Nachweis und Salzfraß wird auch nicht verhindert
4) Der Schlosser macht vorne und hinten an jeder Stufe ein T-Eisen so stabil, so dass man theoretisch drauf laufen kann. Dann ist der Naturstein nur ein Lastverteiler und nicht mehr statisch relevant. Die Statik kann der Schlosser problemlos nachweisen, ebenso wie die Feuerbeständigkeit. Dann kann man mit einem zugelassenen Kleber die Stufen aufkleben.
5) Bewährte Betonriegel mit werkseitigem Statiknachweis. Darauf klebt man z. B. mit Reaktionsharz 3 cm Stufen und 2 cm Stosstritt.


Nachtrag

Wir wurden gefragt, woher wir den notwendigen statischen Nachweis ableiten. In den Normen steht nichts. Freitragende Treppen sind normativ nicht erfasst.
In den jeweiligen Landesbauordnungen wird u. a. gefordert: Hier ein Auszug aus der LBO NRW:

Geltende Gesetze und Verordnungen (SGV. NRW.) mit Stand vom 15.4.2023
Verordnung über bautechnische Prüfungen (BauPrüfVO) 1) vom 06.12.1995
§ 8
Nachweise der Standsicherheit und des Schallschutzes
(1) Der Nachweis der Standsicherheit besteht aus einer Darstellung des gesamten statischen Systems einschließlich der Gründung, den erforderlichen Berechnungen, Konstruktionszeichnungen, Bewehrungs- und Schalungsplänen. Die statischen Berechnungen müssen die Standsicherheit der baulichen Anlagen und ihrer Teile nachweisen. Die Beschaffenheit des Baugrundes und seine Tragfähigkeit sind anzugeben. Der Standsicherheitsnachweis umfasst auch den Nachweis der Feuerwiderstandsfähigkeit der tragenden Bauteile.
(2) Von der Vorlage eines Nachweises der Standsicherheit kann im Einvernehmen mit der Bauaufsichtsbehörde abgesehen werden, wenn bauliche Anlagen oder ihre Teile nach Bauart, statischem System, baulicher Durchbildung und Abmessungen sowie hinsichtlich ihrer Beanspruchung einer bewährten Ausführung entsprechen.
(Anmerkung, z. B. durch eine bauaufsichtliche Zulassung, wie beim Bolzensystem Thumm in Innenbereichen)
(3) Einzelnachweise gemäß Absatz 1, die nach ihrem Inhalt erst vorgelegt werden können, wenn die Ausführungsplanung erstellt ist, dürfen nach Erteilung der Baugenehmigung, jedoch rechtzeitig vor der Bauausführung zur Prüfung eingereicht werden.