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Nano, Lotus und Co

Nano, Lotus und Co. - Schlagworte für den Verkauf, aber was steckt dahinter?
Immer öfter drängen sogenannte „Nanoprodukte“ auch auf den Natursteinmarkt. Die Magna hat viele Anfragen in letzter Zeit dazu bekommen. Wir haben deshalb recherchiert und auch bei den verschiedensten seriösen Firmen nachgefragt.

Was ist eigentlich „Nano“?
Der Begriff ist in der DIN 1301 Beschreibung für die SI–Einheiten (Abk. für frz.: Système international d'unités) festgelegt worden für den Begriff „Milliardstel“ (vom griechischen „νάννος“ - nános = Zwerg). In der wissenschaftlichen Nanotechnik ist damit i. d. R eine Größenordnung zwischen einem- und einhundert Milliardstelmeter gemeint. Ohne den Zusatz „m“ für Meter, kann man theoretisch auch Nanolichtjahr sagen, was einer Größe von etwa 30 cm entspricht. Eine Granitfliese kann also auch „nano“ sein.

Was sind „Nanoeffekte“ wissenschaftlich gesehen?
Man hat festgestellt, dass sich bei vielen Festkörpern durch „Kleinheit“ der Einzelteilchen besondere Eigenschaften herausbilden. Ein Beispiel aus dem „Großen“: Ein Stück Aluminium kann man mit einem Feuerzeug nicht entzünden, feine Aluminiumspäne brennen dagegen sehr gut ab, wie man beim Schweißen von Eisenbahnschienen beobachten kann. Von Nanoeffekten spricht man u. a. wenn Feststoffe sich auf einmal ganz anders verhalten, wenn sie klein genug sind.

Was ist von flüssigen Nanoprodukten für Naturstein zu halten?
Viel, denn ohne „Nano“ könnten wir nicht leben. Das bekannteste flüssige Nanoprodukt ist Wasser. Es kommt bei den Füssigkeiten eher auf die enthaltenen Feststoffe an. Gehen wir mal von einem typischen Imprägniermittel aus. Inhaltsstoffe sind z. B. Siloxane und Fluorpolymere. Alle Zutaten sind in einem Lösemittel „aufgelöst“ und somit sind alle Teile „nano“. Der Abperleffekt ist ein reiner Showeffekt und sagt nichts über die Qualität eines Mittels oder seiner Wirksamkeit aus. Zur Wirksamkeitsprüfung benutzt der Geologe z. B. das sogeannnte „Carstensche Prüfröhrchen“. Herr Jedersberger der Fa. Möller Chemie bestätigte uns, dass der Imprägnierer „S34“ sich durchaus „Nano“ nennen dürfte, da die gelösten Inhaltsstoffe in diesem Größenbereich liegen. Es hat aber nichts mit „Nanoeffekten“ zu tun.
Anders sieht es bei wissenschaftlich fundierten Nanoprodukten, z. B. mit „Sol–Geltechnik“ aus. Porenfüller, die nur aus feinsten Quarzpartikelchen bestehen, bilden beim Trocknen ein porenfüllendes feines „Gel“, das chemisch- und temperaturbeständiger sein kann, als „normale“ Mittel. Die Gebrauchstauglichkeit ist abhängig davon, ob und wie fest sich die Nanoteilchen an die Oberfläche oder in den Porenraum und natürlich untereinander verketten können.

Gibt es bereits wissenschaftliche fundierte Nanotechnik bei „Wettbewerbsmaterialien“?
Ja, ein Beispiel zeigte uns Frau Reger von der Deutschen Steinzeug AG: „Die reiniungsunterstützende Hydrothec–Oberfläche von keramischen Oberflächen beruht auf eingebetteten Teilchen aus Titandioxyd, deren Größe im Nanometerbereich liegen. Diese Nanomere führen zu einer hohen Reinigungsfähigkeit. Diese Eigenschaft ist nicht mit dem vielzitierten „Lotus-Effekt“ zu verwechseln, der im Grunde genommen eher das Gegenteil ist. Das Mode-Schlagwort „Nanotechnik“ möchten wir allerdings vermeiden.
Die Uni Darmstadt hat eine Flüssigkeit entwickelt, in der feinste Quarzkügelchen schweben. Taucht man Floatglas in dieses „Sol“, dann lagern sich Nanoschichten auf der Oberfläche ab. Bei der Trocknung bildet sich eine hauchdünne Gelschicht. Danach werden diese bei ca. 600 ° C (also weit unter dem Schmelzpunkt) in das Glas eingebrannt. Der Effekt ist eine wesentlich höhere Lichtdurchlässigkeit und bei Solarkollektoren eine um bis zu 8% höhere Stromerzeugung.

Kann man diese Nanoeffekte auch auf Naturstein übertragen?
Nein, denn eine Aufschmelzung der Oberfläche, um bei Hartgesteinen Teilchen in die Kristalle zu bringen, ist momentan eine illusorische Methode.

Warum findet man auf altbekannten flüssigen Produkten neuerdings die Aufschrift „Nano"?

Herr Dr. Brakemeier, Leiter Produktentwicklung von Werner & Mertz (die mit dem Frosch) hat uns dazu erklärt, dass gemäß einer erweiterten Definition des Begriffes "Nanotechnologie" lediglich sehr kleine (Feststoff)partikel zu den gewünschten Effekten führen müssen. Diese Partikel sind zwar immer noch sehr klein, dürfen jedoch die Größe von 100 nm überschreiten. Entscheidend ist lediglich, dass sich aufgrund der Verwendung dieser Partikel ein "Nanoeffekt" einstellt, der mit dem gleichen aber grobteiligeren Material nicht auftreten würde. Neben Feststoffpartikeln können ferner auch sehr dünne Materialschichten Nanoeffekte erzeugen. Echte und funktionierende Nanotechnologie ist daher durchaus auch in Reinigungs- und Pflegemitteln vorstellbar, aber in der näheren Zukunft aus Kosten-/Nutzengründen als Massenartikel eher nicht zu erwarten.

Sind Nanoprodukte gefährlich?
Hier muß man sehr stark differenzieren. Stoffe, die „im Großen“ als gesundheitsschädlich gelten, sind auch als Nanoteilchen nicht ungefährlicher. Anders herum stimmt das nicht immer. Quarzsand ist ein relativ ungefährlicher Stoff, feinster Quarzstaub allerdings nicht, wie man von der Silikose her kennt. Mehl kann explodieren, Brot nur wenn man Sprengstoff reinpackt. Das bedeutet im Klartext, dass fest eingebettete Nanoteilchen i. d. R ungefährlicher sind als Nanostaub ( z. B. in Flüssigkeiten die versprüht werden) unabhängig von der Zusammensetzung des Feststoffes. Da Nanoteilchen anders reagieren können (was ja auch Sinn der Übung ist) als die „gröberen“ Varianten hat die EU einen entsprechenden Forschungsauftrag vergeben. Nachzulesen unter www.nanosafe.org.

Wie kann ich echte Nanoeffekte von überteuerten Blendern unterscheiden?
Das ist i. d. R. ohne teure Laboruntersuchungen nicht möglich. Echte Nanoprodukte, wie die bereits angesprochene Glasbeschichtung, werden mit Blendern in einen „Topf“ geschmissen. Man sollte nicht auf Showeffekte hereinfallen, da sich auch herausstellen kann, dass in der Verkaufsveranstaltung alles funktioniert, aber nach einiger Zeit die Eigenschaften verschwinden oder sogar Schäden verursachen. Eine gesunde Skepsis ist bei allen neuen Produkten (das gilt auch für neue Natursteinsorten) wichtig. Der alte Hausiererspruch: “Jeden Morgen steht ein Dummer mit mir auf, ich muß ihn nur finden“ gilt leider auch heute noch.
Das bedeutet allerdings nicht, dass alle angebotenen Produkte mit „Nanoeffekt“ in den Bereich der Scharlatanerie fallen. Nanotechnik ist eine High–Tech-Wissenschaft, mit der man auch grundlegende Eigenschaften der Natursteine verändern kann. Solange es keine eindeutigen Kennzeichnungen oder Normen gibt, können auch wir nicht die Spreu vom Weizen unterscheiden.

Was hat der Lotus–Effekt mit Nano zu tun?
Das ist nur ein Anwendungsbeispiel für eine Nanotechnik, die aber nicht unbedingt Nano sein muß, wie uns das echte Lotusbatt zeigt. Der originale Lotus–Effekt ist von Herrn Prof. Dr. Wilhelm Barthlott von der Uni Saarbrücken „entdeckt“ worden. Es handelt sich dabei um eine spezielle Ausformung der Oberfläche, die bei vielen Schmutzen z. B. zur „Selbstreinigung“ mit Regen führt. Das funktioniert nur mit definierten Bedingungen. Produkte, die von Prof. Dr. Wilhelm Barthlott unter dem Warenzeichen Lotus-Effekt® die rechtlich geschützte Markenbezeichnung für die patentierten selbstreinigenden superhydrophoben mikro- bis nanostrukturierten Oberflächen lizensiert sind, funktionieren i. d. R. unter den erforschten Umgebungsbedingungen. Allerdings sind auch viele Produkte auf dem Markt, die sich „Lotus“ nennen, aber mit der eigentlichen Technologie nichts gemeinsam haben, außer dem werbewirksamen Namen.
Unter www.konrad-fischer-info.de/2lotus.htm kann man Vieles und auch Kontroverses zu diesem Thema nachlesen.

Gibt es den „Lotus Effekt“ für Naturstein?
Uns ist bisher kein von Herrn Prof. Dr. Wilhelm Barthlott freigegebenes Produkt bekannt: Erkennbar wäre es an dem Warenzeichen „Lotus-Effekt®“.