Flex-Mörtel was können sie und was nicht?
Immer wieder hören wir, dass „Flexmörtel“ das Allheilmittel für Bodenbeläge sind, wenn unterschiedliche Bauteile aufeinandertreffen. Der Name Flex wird heute im Baubereich für Mörtel und Fugen verwendet, die nicht die Starrheit und das Schwindverhalten von einem reinen Zementmörtel haben. Manch einer meint, man hat damit einen verformbaren Silikonmörtel.
Wir haben Herrn Dipl. Ing. Ziegler von der Fa. Sopro und Herrn Dr. Sieksmeier von der Fa. Ardex interviewt um die Eigenschaften und Fallstricke des Begriffs zu klären. Wir bedanken uns auch für die Bereitstellung des Bildmaterials. Ohne diese Fachleute aus der Bauchemie hätten wir es nicht machen können.
Flex, was bedeutet es?
Zuerst einmal ist es ein eingetragenes Warenzeichen der Flex-Elektrowerkzeuge GmbH, früherer Name war bis 1996 Ackermann und Schmidt und gehört mittlerweile zur chinesischen Chervon Holdings Ltd.
Was ist der Hintergrund von Flex-Klebemörteln?
Da gibt es mehrere Gründe, früher waren Keramiken und auch Naturstein auf der Rückseite rau. Der Dickbettmörtel konnte sich gut verzahnen an diesen Rückseiten. Die Dicke der Mörtelschicht, meist auf einem Verbundestrich, konnte Spannungen durch Temperatur oder Kriechen und Schwinden auffangen. Feinsteinzeug und Naturstein mit sägerauer Rückseite waren zu glatt und Abscherungen waren an der Tagesordnung. Auch damals machten neue Sorten, wie Kashmir White, die zum Schüsseln neigten bei Belastung mit hohen pH-Werten des Mörtels, Probleme. Hinzu kamen Fußbodenheizungen mit Estrichen,die
eine dünnere Mörtelschicht erforderten. Die Erhöhung der Klebekraft und eine gewisse Elastizität war gefordert.
Gibt es eine Norm für Flexmörtel?
In der DIN EN 12004 wird die Durchbiegung des Prüfkörpers von ausgehärteten Mörtelstreifen in S1 (Durchbiegung zwischen 2,5mm bis 5mm) und S2 (mindestens 5mm) klassifiziert.
Herr Dipl. Ing. Ziegler, wie ist der Prüfaufbau?
Der Prüfaufbau ist in der EN 12004 Teil 2 beschrieben. Ein 5 mm dicker, 28 cm langer und 4,5 cm breiter Mörtelstreifen wird auf zwei Träger aufgelegt. Diese haben einen Abstand von 20 cm. Mittig wird dann ein Stempel aufgesetzt, der den Mörtelstreifen mit einer Geschwindigkeit von 2,0 mm/min durchbiegt. Erreicht man eine Durchbiegung von 2,5 mm oder mehr ohne Riss oder Systembruch, so hat der Kleber die S1-Qualität erreicht. Erreicht er eine Durchbiegung von 5,0 mm oder mehr ohne Riss oder Bruch ist die S2-Qualität erreicht. Für die Klassifizierung der Haftzugfestigkeit, also C1- oder C2-Qualität muss ein solcher Prüfaufwand nicht umgesetzt werden. Anbei zur Verdeutlichung auch ein Bild vom Untersuchungsaufbau. Die Bestimmung der Durchbiegung ist ein wahlfreies Kriterium der EN 12004, der Hersteller kann das umsetzen, muss es aber nicht.
Gilt das auch für Fugmörtel?
Fugenmörtel werden nicht auf die Durchbiegung geprüft. Der Begriff der zementären „Flexfuge“ definiert sich im Wesentlichen damit, dem Fugenmörtel eine gewisse Menge an Polymeren beizufügen, mit dem Ziel einer Erhöhung von dessen Biegefestigkeit und zur Schaffung eines höheren Potenzials zur Flankenanhaftung an der Verlegeware. Von einer echten Flexibilität oder Durchbiegbarkeit, vergleichbar mit z. B. der eines Silikons oder eines Gummis, kann man nicht sprechen. Der Begriff der „Flexfuge“ ist zwar im Sprachgebrauch üblich, aber normativ nicht geregelt oder näher beschrieben.
Fragen an Dr. Sieksmeier:
Was ist drin was „flex“ macht?
Die heutigen Verlegemörtel sind komplexe Materialien, die auf die Anforderungen der jeweiligen Materialien (Feinsteinzeug, Natursteine, großformatige dünnschichtige Fliesen, Innen- oder Außenbereich, u.v.m) abgestimmt sind.
Neben dem Bindemittel (Portlandzement, Binäre und Ternäre Bindemittelsysteme) sind weiterhin redispergierbare Dispersionspulver unterschiedlicher Typen und Eigenschaften beinhaltet. Diese, im weitesten Sinne Kunststoffe (Polymere) sind aber nicht, wie z.B. eine kleingemahlene Plastiktüte in einem Mörtel unreaktiv, sondern lösen sich in ihre Polymere und verbinden sich mit dem zementären Bindemittel, wie kleine „Gelenke“ und flexibilisieren den Mörtel. Hierdurch kann sich der Mörtel besser thermischen, hygrischen oder Trocknungsverformungen anpassen. Weiterhin wirken diese Polymere ähnlich einem Klebstoff adhäsiv (=klebend) zu unterschiedlichen Materialien (Fliesen, Naturstein, Beton, usw.). Die Stabilisierung wird hierbei durch den Zement erzielt - ein normaler Klebstoff würde sich sonst im Wasser wieder auflösen!
Gibt es Unterschiede in den Kunststoffen im Flexmörtel?
Es gibt eine Vielzahl von Redispersionspulvern mit unterschiedlichen Eigenschaften, so dass es auf die Kenntnisse und Formulierungen der einzelnen Hersteller ankommt, ob und wie gut der „Fliesenkleber“ tatsächlich klebt und wo er eingesetzt werden sollte oder eben nicht! Wenn Fliesenkleber nicht für den Dauernaßbereich ausgelobt werden, so liegt es nicht nur am Bindemittel!
Wie weit kann sich ein Flexmörtel, je nach Klassifizierung (S1, S2) zusammendrücken?
Die Zusammendrückbarkeit wird normativ nicht erwartet, lediglich die „Verbiegung“ in vertikaler Richtung wird gemessen (Dreipunkt-Biegeversuch, S1 oder S2). Man kann sich natürlich darüber streiten, wie wichtig diese Eigenschaft ist, denn ein Untergrund, der sich auf einer Strecke von 20cm um 2,5mm oder 5mm verbiegt, hat sicherlich andere Probleme, als dass eine Fliese darauf halten sollte!
Die Zusammendrückbarkeit ist abhängig von der Dicke der Fliese und deren mechanischen Kennwerten, sowie der aufgebrachten Last. Generell kann nur gesagt werden, wenn die (punktförmige) Last größer als die maximale Verformung der Fliese ist und die Zusammendrückbarkeit der „Flexmörtel“ größer ist, dann wird die Fliese brechen (Durchstanzen).
Wichtig ist in diesem Zusammenhang ebenfalls die Haftaktivität des Verlegemörtels zur Fliesenrückseite. Wenn sich der Verlegemörtel „abschert“, weil er die Haftung bei Verformung verliert, dann wird es zu Hohllagen und einem Haftungsverlust kommen.
Kann ein Flexmörtel Verformungen in der Höhe (Estrichverformungen) aufnehmen?
Nur bedingt. Zuerst muss man unterscheiden zwischen konvexer (wie ein Bogen) und konkaver (wie eine Schüssel) Verformung. Bei konvexer Verformung, welche über eine große Länge wirkt, kann der „Flexmörtel“, bei gutem Haftverbund die Verformung teilweise ausgleichen und hält die Fliesen auch bei leichter „Bogenbildung“ sicher am Untergrund. Bei den konkaven Verformungen im Eckbereich ist die Verformungsstrecke meist zu kurz, dass der Flexmörtel die Verformung kaum ausgleichen kann - da die Verformungsstrecke zu kurz ist und es kommt zum Abscheren oder Haftungsverlust. Kommt die Verformung durch eine zu frühe Belegung (nasser Estrich), so ist auch ein Flexmörtel nicht in der Lage dies zu kompensieren, denn der „Schwund“ baut sich infinitesimal (= in kleinsten Teilen) ab, so dass die Addition „des Schwundes“ sich bei den Randfliesen addiert und diese trotzdem abreißen. Generell kann man sagen: Auch Flexmörtel sind KEINE Entkopplungen und können nur bedingt horizontale Verformungen aufnehmen.
Wie ist das bei der Aufnahme von Scherkräften?
Wie beim Schwund der Estrichkonstruktion ist es auch bei den Scherkräften; die größte Verformung ist am Rand und somit wirkt die größte Scherbelastung auch auf die Randfliesen. Bei gutem Haftverbund wird sich der Estrich konvex (Bogen) verformen, da die starre Fliesenoberfläche nicht (mit-)schwinden kann. Bei schlechtem Haftverbund werden die Randfliesen als erste hohl und lose liegen.
Wie ändert sich die Lastabtragung? Wie ist die Gefahr bei dynamischen Lasten?
Dieses Thema ist nur im Zusammenhang mit vielen anderen Faktoren zu bewerten. Aktuelle Versuche haben gezeigt, dass folgende Bedingungen die Lastaufnahme und Lastabtragung beeinflussen und je nach Flexibilität zu einem Misserfolg/ Reklamation der Verlegung führen können:
I. Art und Dicke der Keramik
II. Verlegeart
III. Verlegezeitpunkt und Belastungszeitpunkt sowie Art der Belastung Punkt oder Flächenlast
IV. Art und Flexibilität des Dünnbettmörtels (S1 oder S2)
Die Verlegung dünnschichtiger Großformate (LFTs: Large Format Tiles) gehört mittlerweile zum Standard eines Fliesenlegers, aber gerade diese weisen Besonderheiten bezüglich der Wahl des Klebers und des Untergrundes bzw. der Untergrundvorbereitung auf.
6mm LFT’s bei einer Größe von 1,2m und einem sehr flexiblen/elastischen Kleber bei punktuellem Lasteintrag (z.B. fallende Gegenstände) sind in der Regel nicht in der Lage diese Punktlasten aufzunehmen. Harte, weniger verformbare, aber haftaktive Kleber können hingegen diese Kräfte deutlich besser über einen starren und harten Untergrund (Estrich, Beton) „ableiten“, so dass es nicht zum Bruch der Fliese kommen muss - generell halte ich 6mm für den Bodenbereich als viel zu dünn und im Bodenbereich nicht einsatzfähig. Selbst 8mm sind aus Sicht der Bruchlast sehr grenzwertig.
Versuche mit dem sogenannten Kugelfalltest haben hierbei gezeigt, dass bei flexibler/elastischer Verklebung (C2 S2) schon sehr geringe Fallhöhen zu einem Versagen des Aufbaus führen können. Hier reicht es teilweise aus, wenn das Ipad aus der Hand fällt, um einen Riss in der Fliese zu erhalten. Punktlasten, von z.B. Sofas sind ebenfalls schadensauslösend, auch wenn es sich nicht um eine Schlagbeanspruchung, sondern um eine Druck-Punktlast handelt. Auch das Küchenmesser reicht dann schon aus, um Haarrisse zu erhalten, die dann komplett die ganze Fliese durchziehen.
Flexkleber mit S2 sind aufgrund ihrer sehr flexiblen bzw. teilweise elastischen Eigenschaften nicht immer in der Lage, Punktlasten auf den Untergrund zu übertragen und können somit zu Haarrissen bei LFT’s führen. Bei harten und haftaktiven Verlegemörteln ist dieses Risiko merklich geringer bis kaum vorhanden.
Herr Dipl. Ing. Ziegler:
Was kann „flex“ nicht?
Wir waren unter anderem schon damit konfrontiert, dass ein Hersteller einer Art von Betonwerkstein, dessen Platten sich im Rahmen der Verlegung nach dem Verkleben um 1 mm verformten bzw. verwölbten, behauptete, dass dies der Kleber kompensieren muss. Dies kann der Klebemörtel natürlich nicht. Nehmen wir ein Klebemörtelbett mit einer Dicke von 5 mm oder 10 mm an, dann müsste der Kleber sich 10-20% dehnen oder stauchen. So etwas schafft nur ein Polymerklebstoff z. B. ein Silikon.
Vielleicht sollte man in diesem Rahmen auch einmal die wesentlichste Aufgabe eines Flexklebers betonen: Die Verbesserung der adhäsiven Haftung, insbesondere zu sehr dichten und porengeschlossenen Verlegewerkstoffen, z. B. Feinsteinzeugkeramiken aber auch dichten Naturwerksteinen (Assoluto, Labrador, Impala).
Was sind typische Fehler beim Anrühren (Reifezeit / Filmbildung)?
Um insbesondere Pulverdispersionen und auch Fasern sachgerecht mit Wasser zu benetzen, empfehlen wir immer ein maschinelles Anrühren mit geeigneten Rührmixern, sowie die Beachtung einer Reifezeit im Rahmen des Anrührens. Im Laufe der Erhärtung ist zu beachten, dass Dispersionen einige Tage benötigen, um komplett zu verfilmen. Die endgültigen Qualitäten eines Flexklebers haben sich erfahrungsgemäß erst entwickelt, wenn der Zement erhärtet ist und die Dispersionen verfilmt sind. Dies nimmt einige Tage in Anspruch und setzt weitgehend trockene Bedingungen voraus.
Sind die Schichtdicken relevant?
Die Schichtdicken sind in der Art relevant, dass insbesondere Dünnbettkleber im Vergleich z. B. zu Estrichen und Betonen ein viel feineres Gesteinskornband und einen höheren Bindemittelanteil aufweisen. Dies lässt ihr Potenzial für eine Schwindung steigen. In typischen Dicken von 2-5 mm ist dies nicht besonders relevant, aber bei hohen Schichtdicken - in denen die Produkte normalerweise nicht eingesetzt werden – natürlich schon. Hierzu ein (Negativ)Beispiel: Nimmt man einen Dünnbettkleber als Spachtelmörtelersatz und spachtelt damit in einer Dicke von 20-30 mm auf Trockenbauelementen, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass der Kleber die Unterkonstruktion durch Schwindkräfte deformieren wird.
Dr. Sieksmeier:
Einsetzbar Innen und außen - worauf sollte man achten?
Die Frage nach der Einsatzfähigkeit wurde vorher schon angesprochen. Diese richtet sich tatsächlich nach der Art des Redispersionspolymers, der Menge des Polymers und der Art und Menge des Bindemittels. Fangen wir mit dem Polymer an. Polymere für den Außenbereich müssen BESTÄNDIG gegen Feuchte, Alkalität, Temperaturen usw. sein. Es ist daher Aufgabe des Herstellers dies zu gewährleisten! Weitere Eigenschaften, wie z.B. eine Schlagregeneignung, ein schwindreduziertes Bindemittel mit beschleunigter Trocknung und Festigkeitsbildung sind wichtige Merkmale für eine erfolgreiche Verlegung im Außenbereich. Aus normativer Sicht sind alle C1- und C2-Kleber unter Normbedingungen und fachgerechter Verlegung bei geeignetem Untergrund und unter Einhaltung der einschlägigen Normen für den Außenbereich geeignet, sofern die Hersteller dies empfehlen. Zusätzliche Eigenschaften, wie z.B. eine erhöhte Anzahl an Frosttauwechseln sind für uns als Hersteller eine Selbstverständlichkeit. Generell achten wir bei Entwicklungen von Verlegemörteln darauf, dass diese die Normanforderungen (25 Frost-Tau-Wechsel) um ein Mehrfaches hiervon(>150 Frost-Tau-Wechsel) überschreiten und die Haftaktivität NICHT verlieren. Die Menge an Polymer ist u.E. nicht unbedingt immer ein Vorteil, da viel Polymer (S2) auch zu Nachteilen führen kann, wenn es nicht dauerhaft stabil ist.
Ein Praxisbeispiel 6mm Keramik, 120 / 120 cm, 6mm stark:
Wenn der Flexmörtel „S2“ sich bis zu 5mm durchbiegen kann, dann ist die Keramik teilweise die Traglastschicht, da die Last nicht mehr im rechten Winkel nach unten abgeleitet. Die Elastizität führt dazu, dass bei statischer Belastung durch Möbel oder dynamischen Lasten durch Bewegungen von oben Ermüdungsrisse
zu erwarten sind. Das gilt unabhängig von zusätzlichen Bewegungen im Estrich. Kommen diese dazu, erhöht sich das Rissrisiko. Unsere Empfehlung von 6mm Keramik in Riesenformaten ist es, sich mit einem Bauphysiker zusammenzusetzen. Der Handwerker kann die Gesamtkonstruktion dieser Sonderfälle i. d.R. nicht bewerten.
Sehen Sie das auch so?
Herr Dipl. Ing. Ziegler:
Nach wie vor sollten wir uns vor Augen führen, dass die wesentliche Bindungsstruktur eine Flexklebers auf Zement basiert. Dieser kann sich in dem Sinn eindrücken. 6 mm-Keramiken begegnen uns im Alltagsgeschäft sehr häufig, sind in den meisten Fällen auch unauffällig. Dadurch, dass das ZDB-Merkblatt „Großformate“ die Mindestdicke für Bodenkeramiken bei 7,5 mm ansetzt, kann man die 6 mm dicken Keramiken als Sonderkonstruktion ansehen. Natürlich sind diese Platten anderes zu werten, als 10 mm Keramiken, insbesondere in Bezug auf Bruchrisiken, aber sie haben auch Vorteile. Vermutlich würde die Diskussion hierum aber den Umfang des Newsletters sprengen.