Das Geheimnis der runterfallenden Wandsockel
Wer kennt das nicht? Nach einiger Zeit (3 Tage bis zu 3 Jahren) fallen die Wandsockel herunter und der Kunde beschwert sich mittels einer Mangelanzeige. Wir haben das Phänomen auf Wunsch einiger Kunden nachverfolgt.
Warum fallen Wandsockel ab?
Folgende Punkte sind relevant:
1) Mechanische Einflüsse
2) Das Sockelmaterial an sich
3) Chemische Einflüsse
Welche mechanischen Faktoren gibt es?
Eingehängte Treppen haben einige unangenehme Eigenschaften. Zitat aus dem Merkblatt des ZDNW (BIV) "Schäden bei Naturstein auf Fertigteiltreppen aus Stahlbeton": "Die aus Schallschutzgründen frei gelagerten Treppenfertigteile mit bis zu 4,90 m Spannweite weisen Durchbiegungen bis zu 15 mm auf. Nach Betonnormen ist dieser Wert hinzunehmen..." Durch Wassereintrag (Mörtel) und „normales“ Kriechen und Schwinden kann sich die Treppe wieder strecken. Je nachdem, wann die Sockel angebracht wurden, können sie dann „weggedrückt“ werden. Auch Schwingungen können die Wischleisten abscheren lassen.
Bei Bodenbelägen sind Estriche, die schüsseln, meist dafür verantwortlich, dass die Sockel buchstäblich „weggedrückt“ werden. Ein sicheres Zeichen für Bewegungen dafür sind auch „gequetschte“ oder abgerissene Silikonfugen. Fatal sind auch Zementestriche, die trocken geheizt werden, obwohl die Hydratation noch nicht abgeschlossen ist. Kommt dann wieder Wasser ins System, durch Verlegemörtel oder auch durch Reinigung, dann kann durchaus eine hohe Verformungskraft auftreten.
Kann die Silikonfuge auch Ursache sein?
Jein, bei einer ordnungsgemäßen Fuge nicht. Oft wird aber der Randdämmstreifen zu früh, sprich vor einer Verfugung des Bodens abgeschnitten und Zementmörtel dringt in den Bereich ein. Dadurch wird die Bewegung des Estrichs „auf und ab“ nicht aufgefangen und die Kraft überträgt sich auf den Sockelkleber bis zum Abriss. Auch eine „Dreiflankenhaftung“ kann zu einer ungewollten Kraftübertragung auf den Sockel führen.
Welche Rolle spielt das Sockelmaterial?
Bei Keramik, Labrador und anderen hochdichten Steinen ist keine Verformung durch den Verlegemörtel zu erwarten. Anders sieht es aus, wenn es sich um Agglo, Serpentine, gelbe Granite oder Sorten, die generell schüsseln, handelt wie z.B. Kashmir White. Hier kann es durch die alkalische Belastung zu Verformungen kommen, die zu einem Abriß (im frisch verlegten Zustand) führen können. Die Länge der Sockelleisten spielt dann natürlich eine große Rolle.
Schiefer sind mikroskopisch betrachtet „glatt“ auch wenn sie makroskopisch spaltrau sind. Hier ist ein Haftgrund / Kontaktschicht auf der Sockelrückseite meist notwendig. Die irrige Meinung, dass Schiefer ölig ist, trifft nur bei „Ölschiefer“ zu.
Welche chemischen Ursachen sind möglich?
a) Der Untergrund an sich
Zuerst einmal ist eine Untergrundprüfung mit den Augen notwendig. Bei Renovierungen sind oft Tapeten bis unten hin gezogen worden. Diese müssen natürlich abgeschnitten und entfernt werden. Reste von Tapetenkleister (Methylcellulosederivate) sind Erstarrungsverzögerer, die bei zementärem Kleber zu einem „Totbinden“ führen können. Diese müssen restlos entfernt werden. Bei Rohbeton sind evtl. noch Schalöle zu entfernen. Dass der Untergrund auch staubfrei sein muß, sollte man beachten.
b) Ist der Untergrund verlegereif?
Es ist zwar kein Boden, aber auch an der Wand muß der Untergrund verlegereif sein. Man benötigt zwar keine CM–Messung, aber ein elektronisches Meßgerät wäre empfehlenswert. Bei einem Wert von mehr als 1 % bei Gipsputz ist eine Befestigung von vornherein schadensträchtig. Bei einer Raumfeuchte von 70 % kann kein Untergrund oder Kleber trocknen. Einfache Meßgeräte kosten nicht mehr als 20 €.
c) „Zement direkt auf Gips, das wird auch nix“
Dieser doch recht lockere Spruch stammt von meinem alten Meister und hat immer noch Gültigkeit. Gipsputz reagiert mit dem Zementwasser. Es bildet sich eine „Grenzschicht“, die dazu führt, dass beide Teile sich voneinander lösen. Durch das Zusammentreffen von Zement und Gips entsteht „Ettringit“, das eine Volumenvergrößerung um den Faktor „acht“ mit sich bringen kann, genau am Treffpunkt der Substanzen. Wer das genauer erklärt haben möchte, kann gerne einen Chemiker fragen. In diesem Newsletter würde das viel zu weit führen. (https://de.wikipedia.org/wiki/Ettringittreiben)
Man erkennt es daran, dass der Wandsockel mit Mörtel hinten eine kleine Puderschicht aufweist, wenn er abgefallen ist. Selbst wenn alles trocken war, kommt immer Feuchtigkeit aus der Luft oder durch die Reinigung hinzu, was dann ungewollt Bestandteile vom Mörtel in Richtung Gipsputz transportiert. Reine Luftfeuchtigkeit reicht auch aus, es dauert etwas länger. C2-Flex-Kleber sind zwar fast immer kristallin wasserbindend, aber das bedeutet nicht, dass sie keine Feuchtigkeit abgeben.
Wie sieht es mit Montagekleber aus?
Bei Keramik oder Agglo sehen wir generell kein Problem. Bei Naturstein kann der enthaltene Weichmacher je nach Produkt zu einem durchschlagenden Erfolg führen. Hier ist immer der Hersteller für eine Freigabe zu fragen. Auch Montagekleber sind auf einen trockenen, sauberen Untergrund angewiesen.
Was ist, wenn die Rückseite des Sockels „mörtelfrei“ ist?
Dann kann man davon ausgehen, dass der verwendete Kleber bereits „abgebunden“ war oder an Wassermangel eingegangen ist.
Was sollte man dann machen?
Was viele nicht bedenken ist, dass es eigentlich Pflicht ist, bei einem gestuckten oder geglätteten Gipsputz einen Anschliff zu machen, wie bei einem Boden um die „Sinterschicht“ zu entfernen. Wir empfehlen bei einem Gipsputz generell einen geeigneten Primer zu nutzen, der auf die Wand aufgetragen wird, wie z. B. Ardex P51 oder Botament D11 Tiefengrund. Dann muß dieser aber trocknen und einen ausreichenden Film bilden. Ein 08/15 Haftgrund ist nicht geeignet .
Trotz aller Vorarbeiten kann es trotzdem zu einem Problem kommen, wenn Wasser durch abgerissene Silikonfugen in die Konstruktion gelangen kann, z. B. durch Reinigung. Diese „Kriechfeuchte“ führt dann sozusagen von unten zu einer langsamen Ettringittbildung.
Fazit:
Moderne Baustoffe sind vielleicht „schneller“ oder „profitabler“ für die Hersteller. Allerdings ergeben sich dadurch neue Probleme, die wir früher nicht hatten. Der Verleger, als „letzter“ in der Kette muß dann für Sachen haften, die er nicht abschätzen kann. Hätte man einem Handwerker vor 20 Jahren gesagt, dass er vor der
Sockelverlegung den Untergrund reinigen und primern muß, dann hätte er gelacht ob des schlechten Scherzes. Nach der ATV DIN 18299, Ziffer 2.1.3 müssen Stoffe und Bauteile für den Verwendungszweck geeignet und aufeinander abgestimmt sein. Dies sicherzustellen ist die klassische Aufgabe des Planers.